Heute lehne ich mich aus dem Fenster mit einem sonntäglichen DIRTY DOZEN mit der These, dass der Grundbaustein des Erfolgs des Austropop die (Selbst-)Ironie ist. Dem Österreicher wird mit Schmäh der Spiegel vorgehalten, er wird mit Muße durch den Kakao gezogen – und liebt es.
Folgt der Playlist #DirtyDozen auf Spotify und lest die kleine Geschichte.
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Beginnen wir beim ironisch-selbstkritischen Protestsong und der WORRIED MEN SKIFFLE GROUP – deren „I bin a Weh“ ein diesbezüglicher Klassiker ist.
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Übertroffen wird das in Note und Erfolg von ARIK BRAUER, einem der unbeabsichtigten Urväter des Austropop. „Sein Köpferl im Sand“ ist – wie Brauer im Lied selbst sagt – „ein beinhartes Protestlied“.
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RAINHARD FENDRICH ist ohne eine saubere Portion Sarkasmus und Ironie in seinen frühen Werken undenkbar. Frühes Highlight eine Art 80er-„Maschin“: Die „Zweierbeziehung“ setzt ihn 1981 auf die Landkarte, nimmt die Automobil-Liebe kräftig aufs Korn und ist idealer Prolog für „Strada del Sole“ und eine ganze Reihe weiterer bissiger, früher Lieder von „Schickeria“ bis „Es lebe der Sport“.
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Auch GEORG DANZER begründet seine Unvergessenheit auf was Lächeln über die österreichische Seele. Prototypisch im vertonten 70er-Wiener Slang-Wörterbuch: „Hupf in Gatsch“.
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Im Triptychon des Austropop fehlt dann noch WOLFGANG AMBROS, der ebenso reihenweise Beiträge leistet – von „Fett wie ein Radierer“ bis zum „Zentralfriedhof“. Königskategorie ist aber zweifelsohne der Plottwist im „Hofer“. Österreich in Reinkultur.
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Die großen STS darf man keinesfalls auf Schmäh reduzieren, aber ohne das (ursächlich nicht ganz ernst gemeinte) „Fürstenfeld“ hätte diese Band ihren Legendenstatus nicht erlangen können. Die – dont @ me – dem Dialekt trotzende lyrische Ernsthaftigkeit kommt dann später mit großen Würfen wie „Großvater“ oder „Kalt und kälter“.
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Aus der Steiermark auch die Ulknudeln der EAV (deren Ursprünge wiederum auch Überschneidungen – Gert Steinbäcker! – mit STS aufweisen). Niemand konnte in den 80ern derart bissige Sozialkritik in einfache Kindergartenreime verpacken wie sie – und damit boten sich erstaunlichen Einblicke ins provinzielle Österreich – vom „Burli“ bis zum „Märchenprinz“.
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Auch FALCO hätte ohne den „Wiener Schmäh“ wohl kaum solch Sphären erreicht: „Der Kommissar“ spielt sprachlich und mit Anspielungen auf die Wiener Clubszene alle diesbezüglich Stärken aus: „Der Schnee, auf dem wir talwärts fahren“ anyone?
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Ein ganzes Eck zynischer und präziser war LUDWIG HIRSCH, der etwa die „Omama“ zugrabe trägt und in ein paar Minuten mehr über Österreich erzählt als Thomas Bernhard im gesamten Oeuvre.
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Mit mehr Ulk als Sprache hieven EDELWEISS 1988 das Prinzip auf Sample-Ebene. Viele später bekannte Szenefiguren verwursten alle denkbaren Klischees des Landes in 3min und landen europaweit auf Nr.1 der Charts.
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Und noch einer, dessen Karriere ohne eine Rückbesinnung auf die Gstanzl- und Schmähkultur undenkbar gewesen wäre: HUBERT VON GOISERN, heute Grandseigneur der volkstümlich geprägten Weltmusik, begann seinen Höhenflug mit dem „Hiatamadl“.
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Als Urgroßvater all dessen gilt nicht zuletzt GERHARD BRONNER, der mit und für Helmut Qualtinger reihenweise denkwürdig-lyrisches erschaffen hat, allen voran den „Gschupften Ferdl“ (aus 1952!).
Die Popgeschichte Österreichs würde freilich weit mehr Beispiele abgeben als dieses Dutzend. Aktuelle Superstars von Wanda bis Voodoo Jürgens, von Pizzera und Jaus bis Seiler und Speer – sie alle berufen sich auf dasselbe Prinzip – wenngleich in einer deutlich sanfteren Ausprägung.